Proportionalmaße der tibetischen Malerei
Auf Konstruktionszeichnungen tibetischer Thangkas, die wie ein Koordinatennetz gezeichnet werden, finden sich Zahlenangaben über die Abstände der einzelnen Linien, deren Grundgröße als sor „Fingerbreite“ bezeichnet wird. Hierbei handelt es sich aber nicht um ein festes Längenmaß, das eine fest fixierte Länge hat, wie etwa das Längenmaß „Meter“, sondern um ein sogenanntes Proportionalmaß.
Dabei ist die Grundgröße, an der man sich bei einer bestimmten Zeichnung bzw. Konstruktion orientiert, die Breite des Mittelfingers der Darstellung der jeweiligen Person oder Gottheit in der Zeichnung. Diese Grundgröße wurde entsprechend auch sor „Fingerbreite“ genannt.
In Abhängigkeit von der Größe der Zeichnung besaßen diese Sor-Maßgrößen also absolut genommen unterschiedliche Längen. Allerdings war die Größe des sor innerhalb einer Zeichnung immer gleich. Die Proportionalmaßgrößen besaßen je nach ihrer relativen Größe unterschiedliche Bezeichnungen. Die kleinste Einheit wurde nas „Gerstenkorn“ genannt. 2 nas entsprachen einem rkang und 4 rkang ergaben ein sor, das auch cha-chung „kleines Teil“ genannt wurde. Die nächste größere Einheit war ein cha-chen „großes Teil“, das 12 sor umfasste.
Literatur
David P. Jackson, Janice Jackson: Tibetan Thangka Painting. Methods & Materials. Second and Revised Edition. London 1988
Loden Sherab Dagyab: Tibetan Religious Art. Part I-II. Wiesbaden 1977
Autor: Dieter Schuh, 2010. Bildnachweis: David P. Jackson, Janice Jackson: Tibetan Thangka Painting. Methods & Materials. Second and Revised Edition. London 1988, S. 56