Tibet-Encyclopaedia

 

Abbildung 1: Grabmonument des Heiligen Sayyed Mohammad  unmittelbar neben der von diesem Heiligen erbauten Khanqa-Gebetshalle in Khaplu (Oktober 2007)

 Astana-Grabmonumente in Baltistan (Klein-Tibet)

Astana-Grabmonumente in Baltistan sind Gebäude, die über den Gräbern islamischer Heiliger errichtet wurden. Sie befinden sich meist im Umfeld der großen Khanqa-Gebetshallen oder von kleineren Moscheen.  Das größte dieser Grabmonumente eines Ortes wurde in der Regel jeweils für den Erbauer der zugehörigen Khanqa-Gebetshalle errichtet. Um diese wichtigsten Astanas gruppieren häufig weitere kleinere Grabbauten, die heute aber zumeist zerfallen sind und einen trostlosen Eindruck hinterlassen. Die wichtigen Astana-Monumente von Kiris, Khaplu und Shigar wurden erst vor wenigen Jahren restauriert. Weitere baugeschichtlich bedeutende Astanas finden sich in Tagas nordöstlich von Khaplu. Astana-Grabmonumente sind herausragende Zeugnisse islamischer Baukunst in Baltistan. Anders war und ist die Situation in dem historisch-geographisch Baltistan zuzuordnenden Purig (heute Kargil-Distrikt), dessen ältere Astana als sehr einfache Bauwerke zu bewerten sind.

InhaltsverzeichnisAbbildung 2: Astana von Sayyed Mohammad in Khaplu vor der Restaurierung (nach Klimburg, S. 157)

1. Architektonische Merkmale
2. Der Astana des Sayyed Mohammad in Khaplu
3. Der Astana von Sayyed Mir Yahya in Shigar
4. Der Astana von Hazrat Mir Mukthar in Kiris
5. Astanas in Tagas
6. Kleinere Astanas in weiteren Orten
7. Neuere Astanas in Skardu
8. Literatur

1. Architektonische Merkmale

Die Architekur der Astanas wurde 2005 ausführlich von Klimburg in einem Aufsatz über die traditionelle Kunst und Architektur in Baltistan beschrieben. Hiernach sind Astanas grundsätzlich kleiner als Khanqas und Moscheen. Der Zentralbau mit meist quadratischem Grundriss, in dem sich das Heiligengrab befindet, ist mit einer umlaufenden Veranda versehen. Letztere fehlt bei den aus Tagas bekannten kleineren Astanas. Solche Veranden waren vermutlich auch bei den kleineren Astanas von Shigar und Kiris nicht vorhanden, die heute nur noch als Ruinen überlebt haben. Charakteristisch sind auch pyramidenförmige Dächer, in deren Mitte jeweils ein hexagonaler oder oktogonaler, zwischen fünf und sieben Meter hoher Turm emporragt, der von einem laternenartigen Gebilde gekrönt wird, das häufig dem Typus nach als tibetisch charakterisiert wird. Die Zentralbauten sind in einer Art Fachwerkbauweise ausgeführt und besitzen keine Decke, sind also zum Dach hin offen gestaltet. Herausragend sind die üppigen Holzschnitzereien, mit denen die großen Astanas verziert sind.

2. Der Astana des Sayyed Mohammad in Khaplu

Der Astana von Sayyed Mohammad (Abbildung 1) befindet sich am westlichen Ende der von ihm im Jahre 1712 erbauten großen Khanqa-Gebetshalle (zur Lage siehe den Artikel Islamische Khanqa-Gebetshallen in Baltistan, Abbildung 7). Vor der Restaurierung (Abbildung 2) durch den Aga Khan Cultural Service-Pakistan befand sich dieser Astana in einem geradezu ruinösen Zustand. In unmittelbarer Nähe dieses Astana befindet sich ein weiteres, kleineres Astana-Grabmonument, das sich durch einen beklagenswerten Zustand auszeichnet. Immerhin sind hier die Reste des ehemaligen Turmaufbaus und der Veranda noch zu erkennen.

   

 

Abbildung 3: Nach Süden ausgerichtete Eingangsseite des Astana von Sayyed Mohammad in Khaplu (Oktober 2007)

 

Abbildung 4: Innenraum des Astana von Sayyed Mohammad in Khaplu. Quelle: The Aga Khan Trust for Culture 

 

Abbildung 5: Innenraum des Astana von Sayyed Mohammad in Khaplu nach Hughes (S. 123)

 

   

Abbildung 6: Zerfallenes Astana-Grabmonument in der Nähe des Khanqa von Khaplu. Reste des Dachturms und der Veranda sind noch zu erkennen (Oktober 2007) 

 

Abbildung 7: Innenraum des zerfallenen Grabmonuments mit zwei Gräbern (Oktober 2007)

 3. Der Astana von Sayyed Mir Yahya in Shigar

Abbildung 8: Der Astana von Sayyed Mir Yahya in Shigar nach seiner Restaurierung. Links und rechts sieht man zwei kleine, zerfallene Heiligengräber (Oktober 2007)

Der Astana von Sayyed Mir Yahya, der nach Klimburg (S. 154) im Jahre 1647 die große Khanqa-Gebetshalle von Shigar errichtete, liegt westlich des Khanqa inmitten einiger stark zerfallener Astanas. Dieser wichtigste Astana von Shigar wurde vor nicht allzu langer Zeit von der Gemeinde von Shigar unter der Anleitung des Aga Khan Cultural Service-Pakistan fachgerecht restauriert. Er entspricht mit Veranda, Turmaufsatz und Laterne dem Prototyp eines Astana. Eingangstüren zu diesem Heiligengrab finden sich in allen Himmelsrichtungen.

Abbildung 9: Die Rückseite des Astana von Sayyed Mir Yahya in Shigar mit drei unterschiedlich stark zerfallenen keineren Heiligengrabmonumenten von Nordwesten aus photographiert (Oktober 2007)

Die neben und hinter dem Astana des Sayyed Mir Yahya zu findenden, fünf kleineren Heiligengrabmonumente sind stark zerfallen, wobei bei einem dieser Monumente die Veranda und das Dach mit dem Turmaufbau teilweise erhalten sind.

   

Abbildung 10: Zerfallenes Heiligengrabmonument auf der Rückseite des restaurierten Astana von Sayyed Mir Yahya in Shigar (Oktober 2007)

 

Abbildung 11: Der Zustand des Astana-Grabmonument des Heiligen Sayyed Mir Yahya in Shigar vor der Restaurierung (nach Klimburg, S. 157)

 4. Der Astana von Hazrat Mir Mukthar in Kiris

Abbildung 12: Der Astana von Hazrat Mir Mukhtar in Kiris (Oktober 2007)

 Im Jahre 1718 starb Hazrat Mir Mukthar in Kiris und wurde hinter der von ihm 1706 erbauten Khanqa-Gebetshalle begraben. Der stark zerfallene Astana dieses Heiligen wurde von den örtlichen Amtsrägern restauriert, was nach Klimburg (S. 157) eine traurige Deformation der Struktur dieses Monuments zur Folge hatte. Qualitativ leider sehr schlechte Abbildungen, die den Zustand und Details dieses Astana vor der Restaurierung dokumentieren, finden sich in Dani, S. 515-519. Nach Klimburg ist dieses Grabmonument eine der bedeutensten Wallfahrtsziele in Baltistan. 

Abbildung 13: Die Rückseite des Astana des Hazrat Mir Mukhtar in Kiris (Oktober 2007)

 

      

Abbildung 14: Eingangstür des Astana des Hazrat Mir Mukhtar in Kiris (Oktober 2007)

 

Abbildung 15: Fensterpaneelen des Astana des Hazrat Mir Mukhtar in Kiris (Oktober 2007)

 

Abbildung 16: Der Zustand des Grabmonuments des Heiligen Hazrat Mir Mukhtar in Kiris vor der Restaurierung (nach Klimburg, S. 157)

 5. Astanas in Tagas

Tagas ist ein nordöstlich von Khaplu im Saltoro-Tal gelegener kleiner Ort. Zur Lage dieses Ortes vgl. auch den Artikel Islamische Khanqa-Gebetshallen in Baltistan, 4. Die Khanqa-Gebetshalle von Tagas. Um den Khanqa von Tagas gruppieren sich mehrere Astana-Grabmonumente. Das Bekannteste davon ist das nach Klimburg (S. 157) recht gut erhaltene Astana-Grabmonument von Mir Aref (Abbildung 17), der nach Hughes (S. 120) den Khanqa in Tagas erbaut hat. Inzwischen wurde dieses und das benachbarte Grabmonument von Mir Ishag in einer Art und Weise renoviert, die einem kompleten Neubau und der Vernichtung der alten Astanas gleichkommt (siehe Abbildung 17a).

   

Abbildung 17: Das Astana-Grabmonument von Mir Aref in Tagas neben der Khanqa-Gebetshalle (nach Hughes, S. 121)

 

Abb. 17a: Die Astanas von Mir Aref und Mir Ishaq nach ihrem Neubau. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

 6. Kleinere Astanas in weiteren Orten

Im Umfeld von traditionellen Moscheen finden sich kleinere Astana-Grabmonumente, von denen nach meinen Beobachtungen jeweils nur Reste des zentralen Grabgebäudes erhalten sind. Dies gilt für eine alte Moschee in Shigar, die sich im Wohnbezirk der großen Khanqa-Gebetshalle befindet, und auch für die inzwischen abgerissene traditionelle Moschee in Nar. In Saling findet sich ein Gräberfeld unmittelbar neben der alten Moschee. Hier sind von den Astanas nur noch Grundmauern erhalten. In Balghar zeigte man mir ein sehr einfaches Grabmonument, das erst vor wenigen Jahren neu errichtet worden sein soll.

         

Abbildung 18: Alte, im Wohnbezirk der Khanqa-Gebetshalle von  Shigar gelegene Moschee (Oktober 2007)

 

Abbildung 19: Astana hinter der alten Moschee im Khanqa-Wohnbezirk von Shigar (Oktober 2007)

 

Abbildung 20: Alte, im Jahre 2008 abgerissene Moschee von Nar (Oktober 2007)

 

Abbildung 21: Zerfallener Astana in der Nähe der Moschee von Nar (Oktober 2007)

 

         

Abbildung 22: Alte Moschee in Saling (Oktober 2007)

 

Abbildung 23: Bis auf die Grundmauer zerstörte Astana-Grabbauten neben der alten Moschee in Saling (Oktober 2007)

 

Abbildung 24: Neu errichter Astana-Grabbau in Balghar (Oktober 2007)

 

Abbildung 25: Heiligengrab im neu errichteten Astana-Grabbau von Balghar (Oktober 2007)

 7. Neuere Astanas in Skardu

Über eventuelle im Stadtgebiet des heutigen Skardu noch befindliche tradionelle Astanas liegen mir keine Informationen vor. Allerdings finden sich im Qatal Gah bezeichneten Stadtteil, zu dem auch der große Friedhof der Stadt, eine Moschee und ein neuer Markt gehört, zwei neue, von meinen Informaten als Astana bezeichnete Bauwerke, nämlich die Astana-Grabmonumente des Imam Mahedi und des Imam Hussain, die in sonstigen Veröffentlichungen meist als Moscheen bezeichnet werden. Über die genaue Entstehungszeit dieser beiden Astanas ist mir nichts bekannt. 

Abbildung 26: Astanas im Qatal Gah Bezirk in Skardu. Oben links die zum Bezirk Qatal Gah gehörende Moschee

 8. Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988.
A. H. Dani: History of Northern Areas of Pakistan. Islamabad 1991.
Richard Hughes: Vernacular Architecture and Construction Techniques in the Karakoram. In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 99-132.
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht.
Max Klimburg: Traditional Art and Architecture in Baltistan. In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 149-164.

Autor: Dieter Schuh, 2010. Ergänzt (5. Astanas in Tagas) 2012. Bildnachweise: Abbildungen 2, 11 und 16 nach Klimburg. Abbildungen 5 und 17 nach Hughes. Alle anderen Abbildungen: Dieter Schuh.

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